EinRadler

Frust!

Viele Radfahrer sind mit dem halleschen Straßenverkehr sehr unzufrieden. Woher rührt diese große Unzufriedenheit? Machen die Verkehrsplaner so einen schlechten Job? Werden nicht seit 20 Jahren immer mehr Radwege oder Radfahrstreifen eingerichtet? Was wollen die denn noch?

Imagine?

Eigentlich ist es ganz einfach: stell dir vor!

Stell dir vor, das Fahrrad wäre ein Verkehrsmittel. Nur mal kurz.

Verkehrsplanung

Verkehrsplanung ist Ingenieurskunst. Bedarf und Verkehrsflüsse werden analysiert, Quellen und Ziele. Hauptrouten sollen ein möglichst schnelles Vorankommen möglichst vieler Fahrzeuge ermöglichen.

Dazu kommen die Knotenpunkte, wo sich Routen kreuzen und queren. Die verschiedenen Anforderungen werden gegeneinander abgewogen und Kompromisse gefunden. Die aktuellen rechtlichen und technischen Regeln und Vorgaben sind zu beachten.

Verkehr = motorisiert?

Diese ganze Planung wird aber offensichtlich nur für Autos und Straßenbahnen/Busse, also den motorisierten Verkehr durchgeführt. Radwege werden dann notgedrungen auch mit angelegt, aber die Planung selbst geht nicht vom Fahrrad aus.

Wozu führt das?

Eine eigenständige Erfassung der Radverkehrsströme und -Bedarfe scheint in Halle nicht stattzufinden, Anzahl von Radfahrern wird nebenbei mit erfasst. An anderen Orten gibt es immerhin so was.

Hauptrouten

Hauptrouten existieren in Absichtserklärungen und Stadtratsbeschlüssen, aber nicht auf der Straße. Betrachtet man das hallesche Wegenetz für den Radverkehr, also Radwege, Radfahrstreifen, Schutzstreifen und freigegebene Fahrbahnen, dann ist es voller Lücken, Zusatzstops, Behinderungen und Gefahrenstellen. Ganze Beziehungen fehlen, in Ost-West-Richtung gibt es massig Lücken.

Knotenpunkte

Wichtige Knotenpunkte, an denen Fahrrad-Hauptverbindungen zusammenlaufen, sind am ehesten mit dem Gordischen Knoten nach Alexanders Schwertschlag zu vergleichen -- lauter lose Fadenenden, die ins Nichts führen. Betrachtet man sie als Knotenpunkte eines Verkehrswegenetzes, müssten die Verkehrsplaner verschämt erröten.

Warum geht das?

Das geht, weil sich Radfahrer immer irgendwie durchwurschteln. Rein technisch gesehen kann man ja wie ein Auto auf der Fahrbahn fahren, wie ein Fußgänger auf dem Fußweg und im Notfall ist man sehr schmal. So kommt man irgendwie am Riebeckplatz sogar in Richtung Süden, und irgendwie kommt man auch aus dem Bahnhofsbereich Richtung Westen, oder aus der Innenstadt Richtung Bahnhof, auch wenn es keine oder keine brauchbare Verbindung gibt.

Damit verärgert man natürlich alle Verkehrsteilnehmer, bei denen man sich so durchschummelt. Das Improvisieren und Ausweichen muss aufhören, die notwendigen Verbindungen müssen angelegt werden.

Zurück in die Realität

Aktuell ist das Radwegenetz alles andere als ein geplantes Verkehrsnetz für ein leistungsfähiges Verkehrsmittel. Eine Transformation geht nur stückweise. Neubauten und Grundsanierungen sind Weichenstellungen für die nächsten 30-50 Jahre und müssen dieses Verkehrsmittel angemessen beachten. Die Leistungsfähigkeit des Verkehrsmittels ist längst erwiesen, Leipzig knackt in Kürze 20% Anteil, Kopenhagen 45%.

Die Superluxus Fahrrad-Infrastruktur schlechthin ist übrigens spottbillig. Kopenhagen hat mehr als doppelt so viele Einwohner wie Halle, und sein beeindruckendes Netz hat in den letzten 10 Jahren 150 Millionen gekostet, da hat unsere kleine Großstadt mehr in ihre Straßenbahninfrastruktur gesteckt. Straßenbahn ist ja auch was ganz anderes als Fahrrad? Der Radverkehr leistet nur noch ein paar Prozentpunkte der Verkehrsleistung weniger als der ÖPNV in Halle.